Genealogische Zusammenstellung der Familie Steger vom linken Niederrhein

Die mittelalterliche Gerichtsstätte „Geer“ auf der Hinsbecker Heide

Schöffenschlucht, Geer, Galgenberg und Gestekoul

Juristische Bedeutung der Gerichtsstätten im Mittelalter

Die Gerichtsbarkeit bestand im Mittelalter vereinfacht gesagt neben den örtlichen Schöffengerichten aus den überörtlichen Landschöffengerichten (oder „Zwischenoberhof“) und dem Hauptgericht in Roermond. 
In Hinsbeck tagte früher in einem ehemaligen kleinen Tälchen, der Schöffenschlucht, das örtliche Gericht, das Schöffengericht. Hier gesprochene Urteile waren normalerweise endgültig. Konnten die örtlichen Gerichte einen Fall nicht klären, waren sie also nicht „weise“, so gaben sie den Fall weiter an das Landgericht. Das Landgericht war also keine im heutigen Sinne zweite Instanz, man hoffte vielmehr auf eine „weisere“ Urteilsfindung. War man auch hier nicht „weise“, so wurde das Verfahren an das Hauptgericht in Roermond weitergegeben.

Im Amt Krickenbeck hatten die Städte Venlo und Viersen eigene Gerichte und Gerichtsstätten. Die sechs Gemeinden des Landes Krickenbeck hatten einen um 1400 erstmals erwähnten gemeinsamen Landgerichtshof „Geer“ auf der Hinsbecker Heide. Die Verhandlungen standen unter dem Vorsitz eines Richters, dem Landschultheiß. Hinzu kamen zwei Landschöffen aus jeder zugehörigen Gemeinde (Die Herrlichkeiten Wankum, Herongen, Leuth, Grefrath und Lobberich). Es war zuständig für Widerspruchsklagen gegen Schöffenurteile, für Verhandlungen, bei denen Kirchspiele (Gemeinden) beteiligt waren und für Strafverfahren.

Nach dem Urteilsspruch des örtlichen Schöffengerichts oder des Zwischenoberhofs auf der Geer wurde auf dem Galgenberg das Urteil vollstreckt.
Bei einfachen vergehen wurde der Verurteilte, nach vereinbarter Buße, wieder in die Gemeinschaft aufgenommen.
Bei Verbrechen, verbunden mit Gefahr für die Gemeinschaft, wurde er verbannt, ausgestoßen auf dem Weg nach Norden, in die Fremde.
Bei Schwerstvergehen erfolgte die Hinrichtung am Galgen.
Auf einer Kuppe an der Hangkante über dem Nettedurchbruchstal stand früher der Galgen weit sichtbar in der Heidelandschaft (siehe Galgen und Rad in unten folgender Karte von ca. 1560), zur Abschreckung blieben die Toten lange hängen.


Geer 1560

Nach der Überlieferung wurden die auf dem Galgenberg hingerichteten am nordwestlich gelegenen Hangfuß ins Moor, in die Gestekoul, gelegt. Ein Biid aus dem Jahre 1930 zeigt, dass die Aufforstung am Galgenberg in dieser Zeit noch nicht stattgefunden hatte:

Galgenberg 1930
Heidelandschaft am Galgenberg 1930

Das Landgericht „Geer“ bestand bis zum Ankauf der Gemeinden Hinsbeck, Wankum, Herongen und Leuth durch den Freiherrn von Schaesberg 1673. Der neue Besitzer verlegte das Gericht auf die Burg Krickenbeck, die Gerichtsstätte mit Galgen und Rad wurde von den neuen Herren weiter verwendet.

Politische Bedeutung der Gerichtsstätten im Mittelalter

Neben der juristischen hatte die Gerichtsstätte „Geer“ auch eine politische Bedeutung. Eine erste Nennung der „Geer“ stammt von 1397, als der Bürgermeister von Venlo zu dieser Stelle ritt, der Grund ist nicht bekannt.

Von einem Fragebogen von 1569 ist bekannt, dass hier „seit altersher“ das „Heimgeding“ stattfand. Diese Versammlung wurde von den Abordnungen aller Gemeinden des Amtes besucht. Der Hauptzweck dieser Versammlung war, dem Herrn und der Gerichtsgemeinde ihre Rechte zu weisen und den Landbrief zu verlesen, in dem die Rechte und Privilegien erklärt wurden.

Die Lage der Gerichtsstätte in der Mitte des Amtes Krickenbeck war auch für andersartige Tagungen günstig. Im Dezember 1465 wurden die Ritterschaft, Landschöffen und Geschworenen des Amtes Krickenbeck „op de Gheyr“ geladen, möglicherweise um Herzog Adolf von Geldern zu huldigen. Im Jahre 1485 versammelten sich Ritterschaft und Lehnsleute des Amtes Krickenbeck in Hinsbeck und erklärten die Rechte der Lehns- und Leibgewinngüter. 1570 kamen auch die Viersener Schöffen und Geschworenen zu „de Geer“, als ein neuer Amtmann vereidigt wurde.

Früheres Aussehen der Gerichtsstätte

Die Hinsbecker Heide war im Mittelalter, anders als heute, eine große wüste Fläche, bewachsen mit Heidesträuchern und kleinen Büschen. Der Bevölkerung ohne eigenes Land war zu der Zeit erlaubt ihre Schweine und Schafe zur Mast in die Wälder zu führen. diese hielten die nachwachsenden Bäume und Sträucher kurz, es entstand eine fast baumlose Heide. Von den Ausläufern der Höhen konnte man weit in das Land blicken. Am Fuß der Höhen hatten sich Sümpfe und Moore gebildet, die erst 200 Jahre später ausgetorft wurden und heute die Seenlandschaft bilden.

Geer 1768

Obige Karte von 1768 zeigt die Lage der Gerichtsstätte („gerichts heuvel“) und des „Galgenberghs“ auf der Hinsbecker Heide.

In seinem Buch „Geschichte der Herrlichkeit Leuth“ von 1884 geben die Autoren Leopold Henrichs und Johann Finken eine Beschreibung der Gerichtsstätte, die zu diesem Zeitpunkt, wie sie berichteten, noch gut erkennbar war. „Etwa sechzig Ruthen [225 m] vom Galgenplatze entfernt, in der Richtung zum Dorfe Hinsbeck, erblickt man mitten in einer wüsten Heide, der so genannten Legheide, noch gegenwärtig eine ovale Grube von sechzehn Ruthen [60 m] Länge und drei und ein Viertel Ruthe [12,2 m] oberer Breite, welche man als die Stätte unseres Gerichtshofes anzusehen hat. Am unteren Theile, etwa anderthalb Fuss [0,45 m] vom Boden entfernt, sind die Seitenabhänge ungefähr zwei Fuss [0,60 m] breit hie und da ausgegraben und an diesen Stellen offenbar die Sitze für die Schöffen gewesen.“

Siehe auch Seite Wiederherstellung der mittelalterlichen Gerichtsstätten durch den VVV Hinsbeck. Ein Besuch der wieder hergestellten Gerichtsstätte in Verbindung mit einer Besteigung des nahegelegenen Aussichtsturmes ist als Ausflug zuempfehlen. Hier ein Blick vom Turm in Richtung Krickenbecker Seen, Schloss Krickenbeck, Leuth und Venlo.

Quellen:
Verkehrs und Verschönerungsverein Hinsbeck
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