Die politische und dynastische Entwicklung des 17.
Jahrhunderts veränderten die territoriale Situation am Niederrhein
grundlegend. Im Vergleich zum 16. Jahrhundert (vgl. Seite ,Territorien
um die Mitte des 16. Jahrhunderts') sind besonders zwei Merkmale
hervorzuheben: Das Gebiet geriet zunehmend in eine Grenzlage und wurde
weitgehend von Dynastien fremdbestimmt, deren Herkunft und Schwerpunkte
nicht am Niederrhein, sondern im Süden und Osten des Reiches lagen.
Die Grenzlage war eine Folge des 80-jährigen Krieges zwischen den
aufständischen Niederlanden und Spanien, in dem sich die sieben nördlichen
Provinzen ihre Unabhängigkeit von Habsburg erkämpften, die dann 1648
durch den Friedens schlu s s in Münster auch staatsrechtlich anerkannt
wurde. Die neuentstandene Republik der Niederlande trat damit zugleich
aus dem Verband des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation aus.
Dadurch verlief die Reichsgrenze nun unmittelbar im Gebiet von Rhein
und Maas, und die niederrheinischen Territorien gerieten in eine politische
Randlage, die sich jedoch schon länger abgezeichnet hatte, da die
Niederlande faktisch bereits lange vor 1648 eine politische Eigenständigkeit
besaßen und die Bande zum Reich stark gelockert hatten. Die südlichen
Teile der spanischen Niederlande blieben im Gegensatz zu den nördlichen
Provinzen weiterhin habsburgisch und damit auch Bestandteil des Reiches.
Das Herzogtum Geldern erfuhr auf diese Weise seine erste Teilung.
Seine drei Niederquartiere (Nimwegen, Arnheim und Zutphen) waren ab
1648 Teil der unabhängigen staatischen Niederlande, das weiterhin
zum Reich gehörende Oberquartier hingegen mit seinem Verwaltungssitz
Roermond sowie den Orten Venlo, Geldern, Viersen und Erkelenz verblieb
noch bis zum Aussterben der spanischen Habsburger Bestandteil des
iberischen Königreichs und wurde 1713 nach dem Spanischen Erbfolgekrieg
aufgeteilt.
Das Kurfürstentum Köln gelangte 1585 nach der Absetzung des zum Protestantismus
übergetretenen Kurfürsten und Erzbischofs Gebhard Truchsess von Waldburg
und dem sich daraus entwickelnden Truchsessischen Krieg für fast 180
Jahre in die Hand der bayerischen Wittelsbacher. Denn obwohl das Wahlrecht
dem Domkapitel zustand, gelang es der wittelsbachischen Politik, sich
das Kurfürstentum Köln bis zum Tode von Kurfürst Clemens August 1761
ununterbrochen als bayerische Sekundogenitur zu erhalten, häufig in
Personalunion mit dem Fürstbistum Münster. Zwar residierten die Kölner
Kurfürsten weiterhin in Bonn, aber die politischen und militärischen
Akzente wurden vom Münchener Machtzentrum aus gesetzt, und eine eigenständige
politische Kraft war das Kurfürstentum Köln nicht mehr.
Die Vereinigten Herzogtümer verloren mit dem Aussterben der jülich-klevischen
Herzöge ihre Selbstständigkeit, wurden geteilt und gelangten aufgrund
von Erbansprüchen an Brandenburg und Pfalz-Neuburg. Deren Konkurrenz
bewirkte, dass die Stände zunächst weitgehend ihre Rechte wahren konnten,
doch bereits unter dem Großen Kurfürsten (1640-1688) begann eine Konzentration
zugunsten der Berliner Zentralgewalt. Für Brandenburg-Preußen war
Kleve - wie auch die anderen westlichen Provinzen - nur ein Nebenland,
das die Direktiven der Politik aus Berlin erhielt. Ähnlich war es
mit den Pfalz-Neuburgischen Besitzungen Jülich und Berg. Zunächst
blieb Düsseldorf zwar Regierungssitz und auch Machtzentrum, da die
niederrheinischen Neuerwerbungen von größerer Bedeutung waren als
das Stammland an der Donau. Doch nachdem 1685 auch die Kurpfalz an
Pfalz-Neuburg gefallen war, verschob sich das Schwergewicht in den
Süden, und nach dem Tode Jan Wellems (1716) wurden die Herzogtümer
Jülich und Berg von Mannheim aus regiert.
Quelle:
Hantsche Atlas zur Geschichte des Niederrheins, Essen 2004
Literatur:
FRANZ PETRI, Im Zeitalter der Glaubenskämpfe (1500-1648), in: Franz
Petri und Georg Droege (Hg.), Rheinische
Geschichte, Bd. 2, Düsseldorf 1976, S. 9 ff.