Spanisch Geldern 1570-1702
Mit der Teilung der habsburgischen Universalherrschaft
durch Karl V. gingen die Niederlande und das Herzogtum Geldern 1555
an seinen Sohn Philipp II. und damit an das Königreich Spanien über.
Sie blieben jedoch Bestandteil des Heiligen Römischen Reichs deutscher
Nation; als Inhaber der Niederlande wurde der spanische König somit
zum Reichsfürsten. Religiös-konfessionelle, politische und wirtschaftliche
Gründe führten in den Niederlanden jedoch bereits wenige Jahre später
zum Widerstand gegen die spanische Herrschaft, der sich ab 1568 zum
niederländischen Freiheitskrieg, dem 80-jährigen Krieg, entwickelte.
Sein Verlauf führte zur Teilung der Niederlande, die staatsrechtlich
jedoch erst 1648 anerkannt wurde. Während die sieben nördlichen Provinzen
ihre Unabhängigkeit erhielten und aus dem Heiligen Römischen Reich
ausschieden, verblieben die südlichen Provinzen bei Spanien und damit
auch im Reich. Auch Geldern wurde auf diese Weise geteilt. Die drei
Niederquartiere (Nimwegen, Arnheim und Zutphen) gehörten fortan zur
Republik der Vereinigten Niederlande, das geldrische Oberquartier
blieb bis 1713 spanisch.
Bereits im 16. Jahrhundert versuchte Spanien, das Gebiet des geldrischen
Oberquartiers, das Teil des Burgundischen Reichskreises war, nach
Süden abzurunden. Dafür bot sich ihm eine Reihe von kleinen reichsunmittelbaren
Gebieten an, die in der Zeit der sich verstärkenden Territorial Staatsentwicklung
einen immer schwereren Stand hatten, ihre Selbstständigkeit zu bewahren.
Eine wirksame Unterstützung für ihr Unabhängigkeitsstreben fanden
sie weder beim Reichskammergericht noch beim Niederrheinisch-Westfälischen
Kreis, dem sie angehörten. Dessen Kreisoberst, der Herzog von Jülich-Kleve-Berg,
versuchte selbst, sein Herrschaftsgebiet auf Kosten der kleinen Territorien
zu vergrößern, und brachte daher wenig Verständnis für das Ersuchen
um Hilfe auf. So konnte Spanien das Oberquartier im 16. und 17. Jahrhundert
auf Kosten der kleinen reichsfreien Territorien erweitern. Dabei sind
verschiedene Ansätze zu erkennen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten
und mit unterschiedlichem Ergebnis verfolgt wurden.
Mit der Begründung lehnsrechtlicher Abhängigkeiten wurden Weert, Wessem
und Nederweert um 1570 besetzt und der geldrischen Oberhoheit unterstellt.
Die Versuche dieser somit zu geldrischen Unterherrschaften gewordenen
kleinen Territorien, ihre Selbstständigkeit und Reichsunmittelbarkeit
wiederzuerlangen, hatten keinen Erfolg. Unter Rückgriff auf die durch
das Territorialstaatsrecht begründete Unteilbarkeit der Souveränität
nutzten die Herzöge von Geldern dann ab 1670 rechtliche Bindungen
(z.B. die Gewährung von militärischem Schutz), um in den kleinen Reichsherrschaften
Steuern zu erheben, die wiederum als Grundlage für weitere Rechtstitel
dienten. Nicht alle Ansprüche konnte Spanien jedoch in gleichem Ausmaß
durchsetzen; das wirkte sich noch nach dem Spanischen Erbfolgekrieg
aus. Dalenbroek (Maasniel und Herten), Meijel sowie Kessenich und
Hunsel waren so fest angebunden, dass sie ab 1713 Österreichisch Geldern
zugerechnet wurden; Hamb kam zunächst zu Preußisch Geldern, dann an
Kleve. Millendonk, Hoerstgen-Frohnenbruch und Wickrath waren vor 1700
zwar auch unter geldrischen Einfluss gelangt, konnten ihre Unabhängigkeit
aber wenigstens teilweise bewahren. Nach der Aufteilung des Oberquartiers
1713 wurden sie nicht Preußen zugeschlagen, sondern galten (Hoerstgen
zwar nicht unumstritten) als Reichsherrschaften. Im Falle des ebenfalls
ins Visier genommenen Stifts Thorn hatten die juristischen Grundlagen
aufgrund von Vogteirechten nicht ausgereicht, um spanische Ansprüche
durchzusetzen. Dennoch befand sich dieses geistliche Fürstentum im
17. Jahrhundert zeitweise in Abhängigkeit von Geldern, zum Teil aufgrund
der nicht eindeutigen Politik der Fürstäbtissin.
Quelle:
Hantsche Geldern-Atlas, Geldern 2003
Literatur:
A.M.J.A. BERKVENS, Gebietserweiterung der südlichen Niederlande ä
titre de Gueldre (1570-1702), in: Johannes Stinner und Karl-Heinz
Tekath (Hgg.), Gehe - Geldern - Gelderland. Geschichte und Kultur
des Herzogtums Geldern, Geldern 2001, S. 81-86; WILHELM FABRICIUS,
Erläuterungen zum Geschichtlichen Atlas der Rheinprovinz, 2. Band:
Die Karte von 1789. Einteilung und Entwicklung der
Territorien von 1600 bis 1794, Bonn 1898.