Von der Vielzahl der Burgen und festen Häuser im
Herzogtum Geldern berücksichtigt diese Karte allein die Landesburgen,
d.h. die Bauwerke, die entweder im Besitz der Herzöge waren und von
deren Beamten verwaltet wurden oder dem Landesherrn zumindest generell
offen standen. Sie waren in der Regel keine Residenzen, sondern eher
Wegstationen bei den häufigen Reisen der Herzöge innerhalb ihres Territoriums.
Ihre Hauptfunktion lag jedoch im verwaltungstechnischen Bereich: Sie
bildeten den Amtssitz für die herzoglichen Landesbeamten, die Amtmänner,
die mit der Verwaltung der Ämter und ihren Gerichten oder Kirchspielen
betraut waren. Häufig hatten sie sich in ihr Amt 'eingekauft', und
die Burg war daher fast ein vererbbarer Besitz, der allerdings bei
Bedarf jederzeit dem Landesherrn zur Verfügung stand. Mit ihrer Wehrhaftigkeit
manifestierten die Burgen also nicht nur die landesherrliche Machtposition,
sondern sie besaßen auch eine zentrale Funktion für die Ausübung dieser
Macht. Zugleich hatten sie eine Schutzfunktion für die ihr zugeordneten
Orte sowie die ihr angegliederte Stadt. Landesburgen dienten also
in erster Linie der inneren Machtsicherung und hatten weniger die
Aufgabe, die herzogliche Herrschaft und die Sicherheit des Landes
gegenüber einer möglichen Aggression von Nachbarstaaten zu verteidigen.
Die Anlage, die Größe und der bauliche Zustand der Burgen waren recht
unterschiedlich; häufig handelte es sich um Wasserburgen. Selten waren
sie größer als die befestigten Adelshäuser, und daher eigneten sich
viele Landesburgen auch nicht dazu, den Herrscher und sein teilweise
zahlreiches Gefolge für einen längeren Zeitraum aufzunehmen. So hielten
sich die Herzöge meist nur kurze Zeit in den einzelnen Burgen auf,
die häufig in einem Abstand von ca. 25 km lagen, so dass die Reise
von Burg zu Burg in einem Tag bewältigt werden konnte. Manchmal geschah
dies auch auf dem Wasserweg, was bei dem schlechten Zustand der Straßen
eine große Erleichterung, oft auch eine Zeitersparnis darstellte.
Dass Zutphen, Amheim, Venlo und Roermond statt Landesburgen befestigte
Residenzen hatten, ist sicherlich darin begründet, dass diese Städte
blühende Handels- und Gewerbezentren waren und damit machtpolitisch
vom Bürgertum und nicht vom Adel geprägt waren. In Goch, das wie Nergena
1473 an Kleve fiel, wäre wegen der strategischen Bedeutung des wichtigen
Niersübergangs eher eine Landesburg als eine befestigte Residenz zu
erwarten gewesen.
Wenngleich die einzelnen Burgen sich in ihrer Größe und Bedeutung
unterschieden, so gehörte zu ihrer Ausstattung doch stets eine Schreibstube.
War darüber hinaus ein Archiv vorhanden - wie in Nimwegen, Grave und
Buren -, so ist dies ein Indiz dafür, dass die Burg nicht nur ein
sicherer Reisestützpunkt, sondern auch landesherrliche Residenz war.
In diesem Fall waren auch eine Kapelle und eine größere Küche unabdingbar.
Die Karte verzeichnet nur die Landesburgen, die bis zum Ende des 15.
Jahrhunderts errichtet wurden. Die rege Bautätigkeit Karls von Geldern
(1494 - 1538) wird also nicht berücksichtigt. Einen Sonderfall bietet
Emmerich insofern, als die dortige Landesburg zwar auf noch geldrischem
Territorium entstand, aber nur wenige Jahre wirklich auch eine geldrische
Landesburg war. Sie wurde von den Herzögen von Kleve errichtet, denen
Emmerich 1355 verpfändet und 1372 erneut übergeben worden war. Allerdings
wurde die Stadt erst 1402 endgültig kle-visch. Wickrath war eine geldrische
Landesburg, obwohl das Territorium, das 1488 dann Reichsunmittelbarkeit
erlangte, nur in einem Abhängigkeitsverhältnis zu Geldern stand.
Quelle:
Hantsche Geldern-Atlas, Geldern 2003
Literatur:
STEFAN FRANKEWITZ, Geldrische Landesburgen vom 13. bis zum Ende des
15. Jahrhunderts, in: Johannes Stinner und Karl-Heinz Tekath (Hgg.),
Gelre - Geldern - Gelderland, Geldern 2001, S. 185-204; STEFAN FRANKEWITZ,
Burg, Haus und Schloß im Spiegel niederrheinländischer Urkunden, in:
W. M. H. Hupperetz u.a. (Red.), Middeleeuwse kasteien in Limburg.
Verschijningsvormen van het kasteel, zijn adellijke bewoners en hun
personeel (= Publicaties van het Limburgs museum 3), Venlo 1996, S.
77-96; STEFAN FRANKEWITZ, Burgen, Schlösser, Herrenhäuser an den Ufern
der Niers, Kleve 1997.